Seit zehn Jahren betreibt Annette Weber ihre eigene Trüffelplantage – eine Leidenschaft, die zum kleinen Geschäft wurde. Während der aktuellen Erntezeit streift sie wöchentlich mit ihren Hunden durch die Plantage, immer auf der Suche nach dem Premiumprodukt Trüffel.
Autorin: Viviana Troccoli
Beitragsbild: Acht Jahre lang war ungewiss, ob Annette Weber überhaupt Trüffel auf ihrer Plantage ernten wird – mittlerweile ist sie bei fast jedem ihrer Besuche erfolgreich. (Bildquelle: Viviana Troccoli)
«Es ist ein Liebhaber-Projekt», sagt Annette Weber, als sie an einem kalten Wintermorgen den meterhohen Metallzaun eines halben Hektar grossen Feldes aufschliesst. Was von aussen aussieht wie eine gewöhnliche, schneebedeckte Obstplantage, verbirgt unter der Erde einen kostbaren Schatz: Trüffel.
Die 57-Jährige pflegt zusammen mit ihrem Partner eine Trüffelplantage in der Nähe des Wasserschlosses Hagenwil. 600 Bäume umfasst die Plantage. Das Paar ist eines von rund 30 Produzententeams in der Deutschschweiz, die insgesamt mehr als 50 Hektar Fläche an Trüffelplantagen bewirtschaften.
Ertragreiche Trüffelplantagen in der Deutschschweiz
Standorte auf unter 800 Meter über Meer sind besonders geeignet, um Trüffel anzubauen. In der Deutschschweiz sind deshalb viele Plantagen im Schweizer Mittelland zu finden.
Grafik: TrüffelGarten Schweiz / Textquelle: Trüffelexperte Stefan Spahr
Ohne Trüffelsuchhund geht nichts
Weber ist mit robusten Wanderschuhen ausgestattet, trägt eine gelbe Leuchtweste und eine Umhängetasche über den Schultern. Während der Haupterntezeit von Oktober bis in den frühen Februar geht sie alle fünf bis sieben Tage auf die Plantage. Mit dabei: ihr neunjähriger Berger de Pyrénées namens Milou oder der dreijährige Sky, ein Australian Kelpie. Für das Trüffeln nimmt sie jeweils abwechslungsweise einen Hund mit – aber nie beide gleichzeitig. «Ich komme sonst mit dem Sammeln der Trüffel nicht hinterher», sagt Weber und lacht. Milou rennt bereits durch die in Reih und Glied eingepflanzten Bäume. In einem Abstand von zwei Metern stehen Buchen, Föhren, Haseln und Eichen. «Am Anfang muss er sich zuerst erkundigen, was es sonst noch so auf der Plantage gibt, bevor er anfängt zu suchen», sagt Weber. Just in diesem Moment steckt Milou vor einer Buche seine Schnauze in den Schnee und beginnt zu graben. «Hat es hier etwas?», fragt Weber den Hund. Und holt wenige Sekunden später einen walnussgrossen, schwarzen Pilz aus dem Loch. Ein Wintertrüffel. Sie begutachtet ihn, entfernt restliche Erde und steckt ihn in ihre Tasche. Danach knipst sie ein Foto der Nummer des Baumes, um den Fund später in ihrer Excel-Liste zu dokumentieren. Milou sucht bereits weiter. Man merkt schnell: Die beiden sind ein eingespieltes Team, verstehen sich ohne Worte.
Mit feiner Spürnase auf der Suche
Die Gewissheit, dass Milou die Kunst des Trüffelsuchens einmal beherrschen würde, hatte Weber nie, wie sie im Video erzählt. Denn die Ausbildung zum Trüffelsuchhund erfordert nicht nur Geduld, viel Training und gegenseitiges Verstehen, sondern vor allem einen äusserst feinen Riecher.
Was sich nach leichtem Fund anhört, sah vor einigen Jahren für Weber noch anders aus. 2014 baute sie die Plantage mit ihrem Partner und in Zusammenarbeit mit dem Wasserschloss Hagenwil an. Der Anbau brachte seine Tücken mit sich: Zuerst mussten sie den pH-Wert des Bodens prüfen und anschliessend zusätzlichen Kalk hinzufügen, denn der Untergrund musste so mager wie möglich sein. Danach pflanzten sie die Baumsetzlinge ein. Denen wurde im Vorhinein das Trüffelmyzel – der Impfstoff, um Trüffel künstlich zu züchten – verabreicht. Zwischenzeitlich frassen Mäuse die heranwachsenden Pilze. «Wir hatten nie die Garantie, dass es klappt», sagt Weber. Erst acht Jahre nach dem Anbau konnte sie den ersten Burgundertrüffel ernten: «Das war ein besonderer Moment.»
Doch mit dem ersten Trüffelfund ist noch nichts getan – eine weiterhin intensive Pflege der Plantage ist unumgänglich. Dafür ist vor allem ihr Partner zuständig. «Immer wieder Bäume schneiden, immer wieder Gras mähen, immer wieder Gras rausschleppen – das ist schon viel Aufwand.» Jedes Jahr muss Weber die Bäume, die keine oder nur wenige Trüffel tragen, nachimpfen.
Es ist gerade diese Hingabe und Geduld, die Landwirte davon zurückschrecken lässt, Trüffel anzubauen, erklärt Trüffelexperte Stefan Spahr im nachfolgenden Interview. Deshalb ist der Trüffel in der Schweiz ein Nischenprodukt – im Gegensatz zu unseren Nachbarländern Italien und Frankreich.
«Die Zukunft des Trüffelanbaus wird in der Schweiz liegen»
Die Nachfrage nach einheimischem Trüffel ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Dennoch gibt es vergleichsweise wenig Flächen, um den Pilz anzubauen. In Zukunft dürfte die Schweiz jedoch ein Trüffelland wie Italien oder Frankreich werden, sagt Experte Stefan Spahr.

Bildquelle: Urs Oskar Keller / Das Pauli Magazin
Stefan Spahr, Sie sind Präsident des Verbands der Schweizer Trüffelproduzenten und Geschäftsführer der Firma TrüffelGarten Schweiz. In der Schweiz gibt es zunehmend Flächen an Trüffelplantagen. Wie haben Sie die Entwicklung über die letzten Jahre hinweg erlebt?
Stefan Spahr: Von Jahr zu Jahr entstehen hierzulande hin und wieder neue Trüffelplantagen. Mittlerweile haben wir in den deutschsprachigen Regionen etwas mehr als 50 Hektare an Plantageflächen und etwa gleich viel in der Romandie. Das ist aber nur ein kleiner Bruchteil dessen, was die Nachfrage eigentlich fordern würde. In der Landwirtschaft ist es nach wie vor eine Nische. Das Interesse der Landwirte, Trüffel anzubauen, ist begrenzt. Denn es dauert zwischen fünf und zehn Jahren, bis der Trüffel überhaupt heranwächst. Deshalb hinken wir mit der Nachfrage noch immer hinterher.
Sie haben erwähnt, dass Landwirte relativ wenig Interesse zeigen, um den Pilz anzubauen. Woran liegt das?
Der Trüffelanbau ist zwar vom Bund offiziell anerkannt, aber im Allgemeinen nur wenigen bekannt. Zudem ist der Markt nicht so reguliert wie zum Beispiel bei der Zuckerrübe. Das heisst, dass ich mich als Produzent selbst um den Absatz und die Qualität des Produktes kümmern muss. Der Aufwand beschränkt sich auch darauf, dass wir für den Trüffelanbau bis jetzt relativ anspruchsvolle und wenig bekannte Anbautechniken besitzen.
Aus welchen Gründen ist die Nachfrage nach Trüffel in den letzten Jahren so bedeutend gestiegen?
Vor allem der Burgundertrüffel wurde in den letzten 15 Jahren in der Schweiz sehr bekannt. Das hängt mit den vielen Wildtrüffelsammlern zusammen. In der Schweiz gibt es davon mehrere Hunderte, die mit ihren Hunden erfolgreich wilde Trüffel finden. Die Menschen haben die Chance erkannt, den eigenen Hund, egal welche Rasse, zum Trüffelsuchhund auszubilden. Auch die Trüffelmärkte, die vom Schweizerischen Trüffelverein organisiert und durchgeführt werden, haben zur Bekanntheit beigetragen. Generell haben wir in der Schweiz eine liberale Gesetzgebung für das Sammeln von Pilzen im Wald und jedermann hat das Recht, frei und ohne Bewilligung Trüffel zu sammeln. Das sieht in den Nachbarländern Italien und Frankreich anders aus: Dort gibt es strenge Vorschriften für den Zugang zu Wäldern, viele sind privatisiert und man braucht eine Lizenz.
Steht das Schweizer Trüffelgeschäft noch am Anfang oder ist es bereits im vollen Gange?
Nein, wir stehen noch ganz am Anfang. Obwohl es uns möglich ist, viele verschiedene einheimische Trüffelarten zu kultivieren, können wir den Markt mit anderen Sorten als der Burgundertrüffel noch gar nicht richtig bedienen. Das wird erst in den kommenden Jahren der Fall sein.
Was braucht es, damit das Trüffelgeschäft voranschreitet?
Es muss mehr Trüffel angebaut werden. Die Flächen, die wir bereits mit Trüffel kultivieren, sollen bald Ertrag liefern. Oftmals vermarkten die Produzenten ihre lokalen und regionalen Märkte direkt, beliefern Gastronomen vor Ort oder betreiben einen eigenen Hofladen. Auf nationaler Ebene hinken wir also etwas hinterher.
Wie man heraushört, kann das Schweizer Trüffelgeschäft noch nicht mit demjenigen aus den Trüffelländern Italien oder Frankreich gleichgestellt werden. Denken Sie, dass ein Vergleich mit unseren beiden Nachbarländern in zehn Jahren möglich sein wird?
Ja, absolut. Aber von der Kultur her haben wir hier aber ein ganz anderes Geschäftsmodell. In Italien und Frankreich läuft das Trüffelgeschäft eher noch im Geheimen ab. In der Schweiz sind wir strukturierter, offener. Wir versuchen hier, gute Qualität zu einem fairen Preis für die Landwirtschaft und die Kundschaft anzubieten. Insbesondere spielt der Klimafaktor eine entscheidende Rolle: Mediterrane Länder, aus denen der Trüffel ursprünglich stammt, weisen immer schlechtere klimatische Bedingungen auf. Trockenheit, wenig Niederschlag und die Erwärmung führen dazu, dass Trüffelarten aus dem Mittelmeerraum auch zunehmend in den Alpen vorzufinden sind. Was den Anbau von Trüffel betrifft, wird die Zukunft hier bei uns liegen.
Kleines Geschäft, grosses Hobby
Trotz zitterndem Körper und schneebedeckter Nase findet Milou weitere Trüffel für seine Besitzerin. In den letzten zwei Jahren konnte Weber insgesamt 14 Kilogramm Burgunder-, Winter- und Sommertrüffel ernten. Neben dem Teer- und Frühlingstrüffel sind das jene Trüffelsorten, die in der Schweiz zu finden und auch zu kaufen sind.

Durchmesser: 10-100mm
Geschmack: nussig, pilzig, leicht säuerlich, eher dezent
Reifezeit: Mitte September bis in den Februar
Marktpreis: 800 CHF pro Kg
Bildquelle: TrüffelGarten Schweiz / Textquellen: TrüffelGarten Schweiz, Trüffelexperte Stefan Spahr

Durchmesser: 10-100mm
Geschmack: ähnlich wie Champignons
Reifezeit: Juni bis Mitte September
Marktpreis: 400 CHF pro Kg
Bildquelle: TrüffelGarten Schweiz / Textquellen: TrüffelGarten Schweiz, Schweizer Trüffelbörse

Durchmesser: 10-30mm
Geschmack: säuerlich, pfefferig, intensiv
Reifezeit: Dezember bis Februar
Marktpreis: ca. 750 CHF pro Kg
Bildquelle: TrüffelGarten Schweiz / Textquellen: TrüffelGarten Schweiz, Di Bennardo

Durchmesser: 10-60mm
Geschmack: würzig, intensiv, ähnlich wie Sauerrahm oder Käse
Reifezeit: Januar bis März
Marktpreis: ca. 800 CHF pro Kg
Bildquelle: TrüffelGarten Schweiz / Textquellen: TrüffelGarten Schweiz, Trüffel vom Hof

Durchmesser: 10-50mm
Geschmack: ähnlich wie Holzkohle, Rosmarinnoten
Reifezeit: August bis November
Marktpreis: ca. 840 CHF pro Kg
Bildquelle: TrüffelGarten Schweiz / Textquellen: TrüffelGarten Schweiz, Swiss Truffle Dealers
Die geernteten Trüffel gibt Weber dem Wasserschloss weiter, welches das Premiumprodukt auf der Speisekarte anbietet. «Das ist in der Schweiz einzigartig, dass ein Restaurant auch gleich eine eigene Trüffelplantage besitzt», sagt sie. Das bestätigt Schlossbesitzer Andi Angehrn. Die Gäste seien immer fasziniert, wenn er erzähle, der Trüffel komme aus eigenem Anbau. Das habe seinen Reiz: «Obwohl es nicht mehr so ein exotisches Produkt ist wie vor zehn Jahren, können wir uns so von anderen abheben.»
Für Weber ist der Trüffelanbau ein kleines Geschäft. Das Ziel sei es, dass das Restaurant in Zukunft nur noch eigenen Trüffel anbiete – derzeit kämen Trüffelfunde von Wildtrüfflern ebenfalls dazu. Das eigene Angebot reiche noch nicht aus. Für Weber bleibt der Trüffelanbau daher «sehr fest ein Hobby». Es sei nichts, womit man reich werde und wovon man leben könne. Sie sagt: «Wenn viele Leute das Wort Trüffel hören, denken sie ‚jetzt verdienen sie sich dumm und dämlich‘, aber das ist nicht der Fall.»
Der Reiz lässt sie trotzdem nicht los. Und das Sammeln verleidet ihr auch nicht, obwohl die Suchfläche auf der Plantage begrenzt ist. Als Wildtrüffler habe man ebenfalls seine eigenen Plätze und wenn man dorthin gehe, wisse man, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit Trüffel aufzufinden seien, so Weber. Gerade diese anfängliche Ungewissheit bei der Einpflanzung, das jährliche Nachimpfen und das damit verbundene Sammeln von Erfahrung spornt sie an, die Plantage auch noch weitere zehn Jahre zu pflegen. «Es bleibt ein Learning-by-doing», sagt sie. Ausserdem bleibe es neben dem täglichen Spaziergang eine schöne Nebenbeschäftigung mit den Hunden. Ob sie nun damit Geld verdiene oder nicht: «Alleine schon am Abend nach Hause kommen und bei der Pasta etwas eigenen Trüffel darüberhobeln – was gibt es Schöneres?»
Tagliatelle al Tartufo
Hast du Lust bekommen, Annette Weber’s Lieblingsrezept für Trüffelpasta nachzukochen? Dann findest du hier die Kochanleitung für einfach und schnell zubereitete «Tagliatelle al Tartufo».
Zutaten:
Folgende Trüffelarten eignen sich für das Gericht: 20g Burgundertrüffel, 40g Sommertrüffel, 20g Grossporige Trüffel, 15g Périgordtrüffel oder 15g Weisser Trüffel
100g Tagliatelle (pro Person)
1 EL Selbstgemachte Trüffelbutter
Zubereitung:
Tagliatelle al dente kochen und im Teller anrichten. Einen Esslöffel Trüffelbutter unterziehen, mit etwas geraffeltem oder gehobeltem Parmesan oder Gruyère servieren. Am Tisch ausreichend Trüffel darüberhobeln.
Weitere Rezepte für Trüffelgerichte und wie du Trüffelbutter ganz einfach selbst machen kannst, findest du hier: https://www.trueffel-vom-hof.ch/wp-content/uploads/2021/08/Trueffeln-in-der-Kueche-2108.pdf
Bildquelle: Buonissimo / Textquellen: Annette Weber, Trüffel vom Hof

Ob spannende Reportagen, emotionale Porträts oder tiefgründige Rechercheartikel: Aufgrund meiner Leidenschaft fürs Schreiben entschied ich mich für das Studium «Kommunikation und Medien» an der ZHAW. Kulturelle Themen und gesellschaftliche Diskurse interessieren mich besonders.