Ende September berichteten Schweizer Medien über die Verfütterung von drei Erdmännchen im Zoo Zürich. Der Zoo betäubte und tötete diese Tiere und verfütterte sie anschliessend an Hyänen. Die drei Erdmännchen sind allerdings nicht die einzigen Tiere im Zoo, die als Tierfutter enden.

Allein in diesem Oktober hat sich der Zoo Zürich dafür entschieden, 43 Tiere aufgrund des Artenmanagements zu töten.

Mit der Haltung von Tieren tragen Zoos eine grosse Verantwortung. Der Mensch entscheidet über den Platz, in dem sie leben und welche Nahrung sie erhalten. Der Mensch entscheidet aber auch, ob und wie sich die Tiere fortpflanzen. Manche Zoos wählen für Weibchen die Verhütungsart der Antibabypille oder des Transplantats. Aber nicht bei allen Tieren wird verhütet, da sich solche Verhütungsmethoden unterschiedlich auf die verschiedenen Tiere auswirken. 

Bei den Tieren, bei denen nicht verhütet wird, kann Nachwuchs entstehen und zum Problem werden. Dann vermittelt der Zoo die Jungtiere an andere Zoos weiter. Wenn eine solche Weitervermittlung nicht möglich ist, tötet der Mensch die Tiere. 
Beim Entscheid, welche Tiere entfernt werden, spielen unter anderem das Geschlecht und der Gesundheitszustand eine relevante Rolle.

Rationalität hat Vorrang

Das Ganze könne allerdings dem Zweck des Artenschutzes dienen, sagt der Direktor des Zoos Zürich, Severin Dressen. «Durch die Krise der Artenvielfalt sterben jeden Tag bis zu 150 Pilz-, Pflanzen- und Tierarten aus.»  Der Erhalt der Spezies sei dem Zoo Zürich deshalb äusserst wichtig. 

Der wissenschaftlich geführte Zoo Zürich ist ein Teil des Verbandes European Association of Zoos and Aquaria (EAZA). Alle Zoos, die unter dem Verband EAZA vereint sind, verfolgen vier Hauptaufgaben: die Bildung, Forschung, den Naturschutz vor Ort und der Artenschutz der Tiere.

«Der Zoo gewichtet die Tierart höher als das Individuum, weil der Erhalt einer Tierart Vorrang hat»

Um diese vier Aufgaben zu erfüllen, hält es der Direktor für relevant, Rationalität über Emotionalität zu stellen. «Der Zoo gewichtet die Tierart höher als das Individuum, weil der Erhalt einer Tierart Vorrang hat», sagt er. Das heisst für ihn aber grundsätzlich nicht, die Begehren der einzelnen Individuen zu vernachlässigen. «Es ist wichtig, dass sich die Tiere regelmässig fortpflanzen, da es ihren Bedürfnissen entspricht.»

Das Töten gehört zum Artenmanagement

Der Nachwuchs bringt auch Vorteile. Zum Beispiel würden gewisse Tiere bei regelmässigem Nachwuchs ihr Wissen beibehalten, wie sie die Jungen aufziehen müssen, schreibt der Zoo. Wenn sich aber Tiere regelmässig fortpflanzen, kann das auch zu Problemen innerhalb der Population führen, vor allem wenn sie eingesperrt sind. «Junge männliche Löwen zum Beispiel werden ab einem gewissen Alter von ihrem Vater unter Druck gesetzt», teilt Severin Dressen mit. Dies löse bei seinem männlichen Nachwuchs grossen Stress aus. Für den Zoo heisst das, dass sie intervenieren müssen. 

Jedes Tier im Zoo Zürich ist anders vom Artenmanagement betroffen

Keine der ungefähr 350 Tierarten sind vom Artenmanagement ausgenommen. Die Art der Eingriffe hängt von der Situation und der Spezies ab.

Eine Erschiessung ist allerdings nicht immer sinnvoll. Mit dieser Methode wird dem Tier zwar Stress vor dem Tod erspart, sie lässt sich aufgrund von Sicherheitsbestimmungen aber nicht immer anwenden.

Tierethiker hält das Verhalten des Zoos für problematisch

Der Tierethiker Christoph Ammann kritisiert das Artenmanagement des Zoos Zürich. Ethisch sei dies eine heikle Angelegenheit. «Grundsätzlich ist es moralisch verwerflich Tiere in Zoos zu halten und zu töten.» Wenn es aber essenziell wäre, ein Tier zu töten, um die ganze Art zu erhalten, wäre die Tötung für ihn diskutabel. 

Christoph Ammann

zur Person

Christoph Ammann ist Tierethiker und Theologe. Gegenwärtig ist er als Pfarrer in der reformierten Kirchengemeinde Zürich Witikon tätig. Seit 2016 engagiert er sich als Präsident des Arbeitskreises Kirche und Tiere. Christoph Ammann war mehrere Jahre Mitglied der Tierversuchskommission des Kantons Zürich.

Für ihn dienen Zoos allerdings vor allem der Unterhaltung von Menschen. Der Auftrag der Bildung zeigt für ihn bezüglich der Bewusstseinsänderung der Menschen nicht viel Wirkung. Hier widerspricht der Zoo Zürich und verweist auf verschiedene Studien wie die der Universität in Cork.

Der Zoo Zürich gehe für ihn aber generell verantwortungsvoller mit den Tieren um als andere Zoos. Trotzdem findet er Zoos wie den in Zürich für ethisch fragwürdig. «Wie auch die meisten Tierethikerinnen und Tierethiker ziehe ich das Individuum der Art vor, da ethisch gesehen die Interessen des Einzelnen am höchsten zu gewichten sind.» 

Allerdings hält er Zoos für ein sehr viel kleineres Übel als die Nutztierhaltung und Labore, die Tierversuche verüben. «2023 töteten Menschen angesichts der Nutztierhaltung 83 Millionen Tiere in der Schweiz. Deshalb ist zu grosse Kritik am Zoo nicht angemessen», sagt der Tierethiker. 

Er findet nicht, dass das Konstrukt Zoo abgeschafft werden müsste. Er kann sich Zoos vorstellen, die Menschen ohne grosse Gewissensbisse besuchen könnten. Dort würde dann auch vermehrt auf die Alternative der Verhütung gesetzt werden. Das Töten von Tieren müsste vermieden werden.

Ausschliesslich die Methode der Verhütung und Vermittlung anzuwenden, findet der Zoo Zürich allerdings in keiner Weise artgerecht.

Im Allgemeinen geht es für den Tierethiker darum, dass Leid vermieden wird. Menschen tragen die Verantwortung für die Tiere im Zoo, da sie sie in diese Lage gebracht haben. Eine Tötung sei für ihn deshalb ethisch nicht tragbar, ausser wenn das Tier aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit von starken Leiden befreit wird.