Die Modewelt ist geprägt von schnelllebigen Trends. Expert:innen sehen keine Zukunft in dieser Entwicklung. Welche alternativen Formen der Mode gibt es?
Autorin: Emilia Geisel
Beitragsbild: Die Marke «Canyls» der 25-jährigen Livia Simoni setzt auf langlebige Produkte. (Quelle: Salome Bänziger)
Kein Schnappschuss
Aktuell ist das Leopardemuster wieder im Trend. Doch wie kommen solche Trends eigentlich zustande? Kurzfristige Mode-Trends sind vor allem ein Resultat aus Prognosen von Trendgremien, erklärt Evelyne Roth, Designerin und Dozentin für Mode-Design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Trendgremien sind Vereinigungen, in denen Modeexpert:innen aus verschiedenen Ländern sitzen und über beobachtete Modeströmungen sprechen. Etwa zwei Mal im Jahr findet ein Treffen statt, aus dem ein «Proposal» entsteht. Ein Proposal ist eine Prognose darüber, welche Farben oder Textilien in der Zukunft angesagt sein werden. Trendexpert:innen aus den Gremien beobachten also kleinere Modeströmungen und nehmen diese in die Prognosen auf. Dadurch erhalten die Strömungen mehr Bedeutung und werden in die Fashionindustrie aufgenommen. Dort, wo Arbeiten und Kollektionen aufpoppen, werden die Prognosen übernommen und für andere zugänglich gemacht. Mithilfe von einzelnen einflussreichen «Player:innen», werden die Trends zusätzlich bedeutend gemacht. So können beispielsweise Influencer:innen Strömungen bewerben und sodurch grösser machen. Kurzfristige Trends haben eine Vorlaufzeit von etwa zwei bis vier Jahren. Auch das, was von den Konsument:innen als kurzlebig wahrgenommen wird, sei eine ziemlich kalkulierte Sache, erklärt die Designerin. «Ein Trend in der Modewelt ist selten ein Schnappschuss.»
Innovation hat den grössten Einfluss
Einen viel grösseren Einfluss als Influencer:innen hätten jedoch Innovationen, erklärt die Designerin. Mit Innovationen sind vor allem technische Innovationen gemeint. So war es zum Beispiel kein Zufall, dass Moonboots, ein Winterschuh, der an einen Astronautenschuh erinnert, beliebt wurden, nachdem der erste Mensch auf dem Mond war. «Die technische Innovation, also die Mondlandung, ist so in den Alltag der Menschen übergeschwappt», sagt Roth. Heute sind Moonboots bekannt in der breiten Bevölkerung. Ein anderer Trend, der ebenfalls durch technische Innovation möglich wurde, sind Kleider aus leichten Materialien, wie zum Beispiel die Daunenjacke. «Dieser Trend wird noch lange wichtig bleiben», erklärt Roth. Unsere Gesellschaft könne fast nicht mehr mit schweren Kleidern zurechtkommen.
Leichte Kleidung ist auch für die Modedesignerin Livia Simoni wichtig. Ihre Kollektionen bestehen zu einem grossen Teil aus leichtem Material. Welche Motivation hinter der Gründung ihrer Marke steckt, erklärt sie in einem Porträt.
Porträt von Livia Simoni
Wie eine junge Designerin funktionale Businessmode entwirft

Diesen Sommer gründete die 25-jährige Livia Simoni die Modemarke «Canyls». Bequeme und gleichzeitig elegante Businessklamotten sind die Mission ihrer Marke. Bereits an zwei Events konnte sie ihre Mode verkaufen.
Lücke in der Businessmode
Eigentlich wollte Livia Simoni Modedesign studieren. An den Zukunftsaussichten in der Industrie hat die 25-jährige Zürcherin jedoch gezweifelt. Deswegen entschied sie sich für einen Bachelor in Betriebswirtschaft an der Hochschule St.Gallen. Ihr Interesse für Mode blieb bestehen. Deswegen studierte Simoni im Anschluss im Master Fashion Design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Aktuell baut sie ihre eigene Modemarke «Canyls» auf.
Im Bereich der Businessmode hat sie eine Lücke entdeckt. Viele Kleider für den Büroalltag seien ihrer Meinung nach zu klassisch. «Mir fehlt die coole und verspielte Komponente bei vielen Businessklamotten», sagt Simoni. Diese Variationen versucht sie mit ihrer Brand zu erreichen. Canyls produziert Kleider für den «Business Casual»-Look. Dieser Look beschreibt bequeme, aber dennoch elegante Klamotten für den Büroalltag. Sie möchte klassische Kleider, wie weisse Hemden oder Blazer, mit Elementen der «Lounge Wear» verbinden. «Lounge Wear» meint bequeme, aber dennoch elegante Klamotten. Einfach sei dieses Ziel jedoch nicht, sagt die 25-jährige Zürcherin. Damit Klamotten gemütlich und gleichzeitig elegant sind, müssen zwei verschiedene Stile miteinander verbunden werden. Doch Simoni hat mit ihrer Idee Erfolg. Bereits an zwei Events hat die Designerin ihre erste Kollektion vorgestellt und verkauft.
«Was ich mache, muss nicht im Trend sein»
Schnelllebige Modetrends spielen für Simoni keine entscheidende Rolle. «Was ich mache, muss nicht im Trend sein», sagt sie. Ihr Ziel ist es, langlebige Stücke zu entwerfen, die unabhängig von schnelllebigen Trends funktionieren. Sie probiert, Klassiker neu zu interpretieren und ihnen dadurch einen individuelleren Schliff zu verleihen. Auch das Thema Funktionalität ist zentral für die Designerin. Die Kleider sollen nicht nur ästhetisch, sondern auch praktisch und funktionstüchtig sein. Dabei spielt auch das Material und die Produktion eine grosse Rolle. Simoni benutzt hauptsächlich «Dead-Stock»-Materialien. Das sind überproduzierte Materialien, die von anderen Unternehmen aufgekauft werden und dann wiederum zu günstigeren Preisen verkauft werden. Die Kleider werden in einer Produktionsstätte im Tessin hergestellt.
Mit Mode Geld machen
Mit Mode Geld zu machen findet Simoni legitim, solange der Ansatz auf langlebigen Produkten liegt. Jedoch sieht sie auch, dass dieser Anspruch teuer und exklusiv werden kann. Wenn ein Kleidungsstück lange Zeit halten soll, dann muss die Qualität gut sein. Und Qualität würde Geld kosten. Nicht alle Menschen sind bereits, diesen Wert zu zahlen. Für eine Bluse verlangt die Designerin zum Beispiel im Schnitt 350 Franken. Doch Simoni hält an der Überzeugung fest, dass sich die Investition in etwas teurere, aber langlebige Kleider lohnen würde. Das Wirtschaftsstudium hat sie zusätzlich motiviert, ihre Businessidee umzusetzen. «Der Drive an der Hochschule St.Gallen ist sehr inspirierend», erklärt sie. Simoni hofft, dass sich ihre Arbeit in der Zukunft irgendwann auszahlen wird. Die Zweifel an der Modeindustrie konnte sie zumindest für den Moment ablegen.
Auch die 21-jährige Manon Hall aus Zug hofft, irgendwann mit Mode ihr Geld zu verdienen. Aktuell studiert sie Fashion Marketing in London. Im Audio-Beitrag erklärt sie, warum das Vermarken von Mode eine komplexe Aufgabe ist.
«Do it yourself» als Trend
Innovation entstehe oft dort, wo Ressourcen, beziehungsweise Geld, vorhanden seien, erklärt Roth. Allerdings gibt es auch Strömungen, die entstehen, wo wenig Geld fliesst. Einer davon ist der «Do-it-yourself» – Trend. «Do-it-yourself» bedeutet übersetzt «mach es selber» und meint in der Modewelt das Reparieren und Verändern von Kleidungstücken. Roth forscht zu diesem Thema und hat als ganze Module für dieses Thema entworfen. Sie unterscheidet dabei zwischen zwei Arten: Reparieren, weil etwas nicht mehr funktionstüchtig ist oder das Umgestalten von Kleidern, um den Look zu verändern. Das Thema sei bei der breiten Bevölkerung leider noch nicht angekommen. «Eine Gesellschaft braucht vor allem Wissen, wie man repariert», erklärt sie. Das Wissen müsse früh vermittelt werden. In der Schule könnten Fächer wie Handarbeit dazu beitragen, die Gesellschaft zu dem Know-how zu befähigen. Ausserdem brauche es Infrastrukturen. Das könnten beispielsweise öffentliche Orte sein, an denen Nähmaschinen zur Verfügung gestellt werden oder auch Institutionen, die solche Dienstleistungen anbieten. Das Konzept des Reparierens entstand aus dem Anspruch der Nachhaltigkeit. «Ohne den Aspekt Nachhaltigkeit hat unser Berufsbild und Gesellschaft keine Zukunft mehr», sagt die Designerin. Das Konzept des Reparierens könnte ein Schritt in eine zirkuläre Richtung sein.
Wie funktioniert «Repairing»?
«Repairing» meint das Reparieren und Verändern von Klamotten. Ziel ist es, ein kaputtes Kleidungsstück zu reparieren oder durch gezielte Eingriffe, neue Looks zu kreieren.
Tipps für ein gelungenes Repairing:
-In Gemeinschaft: Zusammen machen handwerkliche Aktivitäten viel mehr Spass
-Möglichkeiten auschecken: Viele öffentliche Orte bieten öffentliche Nähmaschinen an
-Youtube Video: Auf Youtube gibt es unzählige Anleitungen, die helfen können
Repairing kann dabei helfen, Klamotten länger zu benutzten. In einem europaweiten Vergleich über die jährlichen Ausgaben für Bekleidung steht die Schweiz nämlich auf Platz zwei.

Grafik: Emilia Geisel mit Data Wrapper / Quelle: statista
Schnelllebige Trends werden langweilig
Weniger zirkulär sind Kleidungsstücke, die aus schnelllebigen Trends entstehen. Diese Trends kommen so schnell wie sie wieder verschwinden. Durch die sozialen Medien werden sie massiv beschleunigt. Roth sieht in dieser Dynamik jedoch keine Zukunft: «Ich gehen davon aus, dass schnelllebige Trends langweilig werden», sagt sie. Diese Trends seien eine «Überdosis» an Informationen, die von der Gesellschaft schwierig zu greifen seien. Irgendwann würde alles zu einem «Brei» an Trends werden. Eine Form, dem entgegenzuwirken, seien «Anti-Trends». Ein Beispiel dafür ist Second-Hand Shopping. Also das Kaufen von gebrauchten Kleidern. Weit verbreitet ist mittlerweile auch das Tauschen von Kleider. In der Schweiz finden in vielen Städten regelmässig öffentliche Anlässe statt, bei denen Personen ihre Kleider zum Tauschen mitbringen können. Solche «Anti-Trends» können sich mit der Zeit allerdings auch wieder zu zugänglicheren Trends entwickeln.
Modetrends seien also nicht nur negativ, erklärt Roth. Mode hätte nämlich durchaus etwas Verbindendes. Das gelte auch für das Thema Repairing. Sie empfiehlt, sich im Bekanntenkreis umzuhören und Kleider gemeinsam zu reparieren. «Mode entsteht in der Gemeinschaft», sagt sie. Dieser Aspekt fasziniert Roth besonders. Diese Qualität der Branche soll in Zukunft wieder mehr Bedeutung bekommen.

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