Der Fussball befindet sich in einem Wandel. International und in der Schweiz. Weltweit profitieren Topteams von Millionen, während Traditionsvereine ums Überleben kämpfen. Auch in der Schweizer Liga ist die Kluft zwischen den grossen und den kleinen Teams gross.

Autor: Dominik Mächler
Bild: Geld spielt immer mehr mit im Fussball (Quelle: faz.net)

Der Geruch von Bratwurst und Pommes liegt in der Luft, Fangesänge hallen durch das Stadion. Es sind Momente wie diese, die den Fussball zu mehr als nur einem Sport machen. Doch hinter den Kulissen bestimmen Sponsoren, TV-Deals und Investoren das Geschäft. Finanzielle Kluften zwischen den Vereinen weltweit vertiefen sich. Ist das Herz des Fussballs noch dasselbe – oder hat es sich längst verkauft?

Die Schweizer Liga backt kleine Brötchen

25,5 Millionen Franken erhalten die 22 Klubs der Swiss Football League pro Saison für Entschädigungen aus dem aktuellen TV-Vertrag, wie die SFL auf seiner Webseite bekannt gibt. Pro Super-League-Verein gibts 1,44 Millionen Schweizer Franken fix. Das ist weniger, als Erling Haaland bei Manchester City im Monat verdient. Ein Challenge-League-Klub erhält pro Saison sogar nur 400’000 Franken. Die Premier League, in der Haaland derzeit seine Brötchen verdient, ist in Sachen TV-Verträge absoluter Spitzenreiter. Fast acht Milliarden Euro über vier Jahre erhält die Premier League durch ihren TV-Deal. Als Vergleich zu unserem Nachbarland Deutschland: In der ersten und zweiten Bundesliga bekommen die Vereine aktuell rund 1,1 Milliarden Euro pro Spielzeit. Ab der Saison 2025/26 werden es 1,12 Milliarden sein. Die Premier League ist dank dieser Summen in der Lage, deutlich höhere Transfersummen zu zahlen als die meisten Teams aus anderen europäischen Topligen. Die Premier League wird deshalb von Experten und Fans oft als «Superliga» innerhalb des europäischen Fussballs bezeichnet und stellt für sie ein Problem dar.

Professor Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule Köln nennt in einem Artikel mit BR24 die Vorteile, die die Premier League im Gegensatz zur Bundesliga hat: «In England gibt es im Gegensatz zu Deutschland Spiele, die nicht live im Pay-TV gezeigt werden.» Die Zahl ist im neuen Deal deutlich kleiner geworden. Dies bedeutet: mehr Live-Spiele im Pay-TV, mehr Geld. Die Premier League habe einen weiteren Vorteil: «Die Spieltage werden deutlich mehr ausgedehnt. Es gibt auch Freitags- und Montagsspiele», erklärt Uhrich.

Dies in Ligen wie der Bundesliga oder der Schweizer Liga einzuführen, ist allerdings schwieriger, aufgrund der Mehrheit der Fans in den Stadien, die noch sehr traditionell eingestellt ist. In der Bundesliga wurden zum Beispiel die Montagsspiele, wie es sie in der Premier League gibt, wieder gestrichen, da die Fans sie nicht mochten. Auch in der Schweiz führten Fanproteste 2016 zur Abschaffung früher Sonntagsspiele. Mittlerweile wird aber in der Super League sonntags wieder um 14.15 Uhr gespielt.

Traditionsvereine haben Mühe

Doch auch innerhalb der Ligen wird die Kluft immer grösser. Traditionsvereine kämpfen gegen finanzielle und strukturelle Herausforderungen, während finanzstarke Vereine die Liga immer mehr dominieren. Dies ist selbst in der Premier League der Fall. Die Liga hat zwar ein ausgeglichenes Verteilungssystem für TV-Gelder, doch der Zugang zu enormen Geldern durch Investorengruppen und staatlich unterstützte Eigentümer wie im Fall von Manchester City bringt wieder Ungleichheit. Citys Dominanz und die Probleme der Aufsteiger zeigen diese Kluft.

In der Bundesliga ist die finanzielle Kluft ebenfalls spürbar. Die TV-Gelder werden im Vergleich zur Premier League stärker leistungsbezogen verteilt, was vor allem die Dominanz von Bayern München stärkt. Hier scheinen Vereine mit finanzstarken Investoren, wie RB Leipzig und TSG Hoffenheim, Traditionsvereine zu ersetzen. Gerade RB Leipzig wird dabei oft als Beispiel genannt. Der Verein aus dem Osten Deutschlands wurde 2009 von Red Bull gegründet und gehört zu 99 % der Red Bull GmbH und wird daher von vielen Fans anderer Bundesligavereine als «Marketingprodukt» und «Spielzeug» des Unternehmens gesehen. Auf der anderen Seite zeigt Schalke 04 die Probleme moderner Traditionsvereine. Der Verein aus Gelsenkirchen, der 2019 noch Vizemeister wurde, steckt seitdem in einer tiefen Krise. Der Verein spielt nun bereits seine zweite Saison in der zweiten Bundesliga. Letztes Jahr spielten sie sogar gegen den Abstieg in die 3. Liga, was sogar einen möglichen Konkurs bedeutet hätte. Dabei liegt Schalke 04 auf dem dritten Platz der mitgliederstärksten Vereine Deutschlands, weltweit sogar auf Platz sechs. Doch Ende letzter Saison betrugen die Schulden des Vereins rund 163 Millionen Euro. Die Lizenz für die aktuelle Saison wurde nur unter Auflagen erteilt.

  • Dominanz in der Premier League: Manchester City gewann vier Titel in Serie und sechs der letzten sieben. Auch dank schwerreichen Investoren aus Abu Dhabi. (Bild: sportspro.com)

YB weit voraus

Auch in der Schweiz ist die Kluft gross. 2023 sind vor allem die Berner Young Boys der Konkurrenz enteilt. Dies unter anderem auch dank der Teilnahme an der Champions League. Für dessen Übertragungsrechte nahmen die Berner 29,1 Millionen Franken ein. So viel Geld wie der Rest der Liga zusammen. Der FC Basel folgt beim Ertrag durch Sponsoring und Eintrittsgelder und auch bei den Personalkosten auf dem zweiten Rang, beim Transferertrag ist er sogar einsame Spitze. Auch bei den beiden Stadtzürcher Clubs geht die Schere deutlich auseinander. Während der FC Zürich mit knapp 340’000 Franken grüne Zahlen schrieb, mussten die Grasshopper mit 14 Millionen Franken den grössten Verlust aller Teams hinnehmen. Den kleinsten Personalaufwand hatte der FC Winterthur, mit 8 Millionen Franken. Zum Vergleich: YB bezahlte satte 43 Millionen Franken an Personalkosten.

Der Fussball befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der sich auch in der Schweiz bemerkbar macht. Die Kluft zwischen den Teams und den Ligen wird national wie international immer grösser. Was das für die Zukunft und den Charakter des Fussballs bedeutet, wird sich zeigen.

Fans des FC Zürich und des Grasshopper Clubs sprechen am Zürcher Derby über Tradition und die internationalen Wettbewerbe:

Die neuen Formate der internationalen Wettbewerbe erklärt:

Der FC Aarau zwischen Tradition und Wandel

Der FC Aarau gehört zu den Traditionsvereinen der Schweiz. Lange als die Unabsteigbaren bezeichnet, spielen die Aarauer nun schon seit 2015 in der Challenge League. Mediensprecher Jérôme Thiesson spricht über finanzielle Herausforderungen, Tradition und Moderne sowie die Bedeutung eines neuen Stadions.

Jérôme Thiesson: Ehemaliger Aarau-Spieler und heutiger Mediensprecher (Bild: fcaarau.ch)

Herr Thiesson, wie sehen Sie den allgemeinen Zustand des Fussballs aktuell?

Jérôme Thiesson: Für mich ist es immer noch die schönste Nebensache der Welt. Ein Hobby für Kinder, die einfach nur einen Ball brauchen und damit glücklich sein können. Und mittlerweile bietet dieser Sport die Möglichkeit, für Generationen auszusorgen, wenn man es bis ganz nach oben schafft. Es ist eine riesige Industrie, die Jobs generiert und ein Erlebnis für die Fans bietet. Doch wo viel Geld ist, spielen auch andere Interessen mit, was schlimmstenfalls zu Korruption führen kann.

Wie sehen Sie das in der Schweiz?

Die Frage nach mehr Geld beschäftigt den FC Aarau und auch viele andere Klubs in der Schweiz. Aber nicht im Stile der Gewinnmaximierung wie bei den europäischen Topklubs. Sondern dass wir mehr Geld brauchen, weil wir sonst nicht überleben können. Weil auch alles rund um den Fussball teurer wird und wir den Fans auch immer mehr bieten müssen. Tradition hin oder her, die Fans von heute wollen eine Aarau-App und Tickets mit QR-Code.

Letzten Frühling stand in der Aargauer Zeitung, dass der FC Aarau mehr als eine Million im Defizit ist. Gleichzeitig spielt der FC Aarau aber auch diese Saison wieder um den Aufstieg in die Super League mit. Würde sich ein solcher Aufstieg überhaupt lohnen?

Finanziell wäre es erstmal definitiv eine Bürde. Dies hat aber vor allem mit unserer Infrastruktur und unserem Stadion zu tun, welches einfach so viel abverlangt. Lizenztechnisch müsste da schon noch etwas passieren, zum Beispiel bräuchten wir ein neues Licht. Aber wenn wir sehen, wie viel Geld wir jetzt schon mehr generieren können bei einem Cupspiel gegen den FC Luzern im Gegensatz zu einem Challenge-League-Spiel gegen Lausanne-Ouchy, dann lohnt sich ein Aufstieg dennoch.

Der FC Aarau plant ein neues Stadion. Ist dieses für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Klubs also unumgänglich?

Ja, absolut! Auch wegen des Alters des Stadions. Das Brügglifeld ist dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Wir müssen uns aktuell bei jeder Fritteuse überlegen, ob sich die verkauften Pommes wirklich lohnen werden. Es ist nicht mehr spitzenfussballtauglich. Bis das neue Stadion steht, können wir die Zeit dank unserer Tradition und des Knowhows von vielen langjährigen Mitarbeitenden überbrücken. Aktuell rechnen wir mit einem Zeithorizont von sieben bis acht Jahren.

Mit dem Wegzug aus dem Brügglifeld geht aber auch ein Teil eurer Tradition verloren?

Es ist für Mitarbeitende wie auch für Fans nicht einfach. Es ist schliesslich unser Brügglifeld, wir fühlen uns hier wohl und haben schöne Momente erlebt. Aber ich glaube, jeder versteht es, dass es einfach nicht mehr geht. Es ist, wie wenn dein Auto 500’000 Kilometer auf dem Tacho hat. Du hast viele Erinnerungen daran und eine schöne Zeit damit verbracht, aber es liegt einfach irgendwann nicht mehr drin.

Denken wir etwas grösser. Sagen wir, der FC Aarau steigt auf und spielt eine super Saison und qualifiziert sich am Ende für einen internationalen Wettbewerb. Könnte der FC Aarau sowas überhaupt stemmen?

Schwierig zu sagen, jedenfalls könnten wir nicht im Brügglifeld spielen. Wir hätten ein Szenario wie es Lugano hat, das seine Spiele in Thun durchführt. Bei uns wäre das dann zum Beispiel das Stadion von Schaffhausen. Die Mieten für den Zürcher Letzigrund wären wahrscheinlich zu hoch für uns. Ich glaube aber, man würde sicher Lösungen finden. Es liegt schliesslich auch im Interesse der Liga und des SFV, dass der Verein diese Spiele auch durchführen kann.

Abschliessend: Wie können Fans dafür sorgen, dass Traditionen erhalten bleiben?

Geht ins Stadion, nehmt eure Kinder mit und lebt und pflegt die Traditionen weiter. Vor allem Traditionen, die das Communitydenken fördern und pflegen, wie Fangesänge, Märsche oder Treffen. Fussball war immer ein Happening. Ich sehe, wie das gerade ein wenig ausstirbt, nicht nur im Fussball. Viele Vereine haben einen Mitgliederschwund. Doch gerade ein Sport wie der Fussball bringt immer noch die Massen zusammen. Trotzdem sollte man offen sein für Fortschritt und Wandel. Denn sonst gibt es irgendwann keinen Verein mehr, bei dem Traditionen gepflegt werden können.

Wie siehst du den Zustand des Fussballs?