Zürich ist eine der teuersten Städte der Welt – besonders junge Menschen spüren das, und ab 25 Jahren steigen die Kosten noch weiter. Diese finanzielle Belastung stellt für Studierende eine Herausforderung dar. Matteo Lazzarotto behält genau im Blick, wohin jeder Rappen fliesst, um sicherzustellen, dass er bis zum Ende seines Studiums über die Runden kommt.
Text und Bild: Anna Pfister
Titelbild: KI generiert mit bring.com
Der 25-jährige Matteo Lazzarotto lebt in Chur, einer Stadt, in die er für sein Tourismusstudium an der Fachhochschule Graubünden gezogen ist. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann EFZ war für ihn klar, dass er noch ein Studium absolvieren will, das seinen Interessen entspricht. Die Tourismusbranche, in der Organisation das A und O ist, schien ihm dafür genau richtig. „Ohne klare Strukturen und Übersicht der Kosten kommt man nicht weit“, sagt Matteo. Nicht nur an der Fachhochschule, sondern auch in seinen Finanzen behält Matteo den Überblick. Er zeigt auf eine Excel-Tabelle, die lückenlos ausgefüllt ist und all seine monatlichen Einnahmen und Ausgaben dokumentiert. Diese Übersicht gebe ihm die Sicherheit, dass seine Ersparnisse bis Ende Sommer 2025 reichen – der Zeitpunkt, an dem er sein Studium abschliessen wird.
Sparsamkeit in die Wiege gelegt
Sparsamkeit wurde bei dem 25-Jährigen zu Hause grossgeschrieben. Schon früh erhielt er sein eigenes Taschengeld, um zu lernen, sich das Geld einzuteilen. Das sogenannte „Jugendlohn“-Modell soll jungen Menschen helfen, ihre Finanzen eigenständig zu managen. Von seinen Eltern erhält Matteo bis zum Ende des Studiums monatlich 700 Franken. Zusätzlich übernehmen sie seine Krankenkasse. Die totalen Kosten seines Lebensunterhalts belaufen sich auf rund 1’300 Franken im Monat. Sein täglicher Schnitt, den er für Essen und Freizeit ausgibt, liegt bei 22 Franken. „Natürlich gibt es Tage, an denen ich mehr ausgebe, aber dafür auch andere, an denen ich gar nichts ausgebe.“ Diesen Richtwert immer im Kopf zu haben, helfe ihm abzuwägen, welche Investitionen er tätigen könne und welche nicht.
Im Sommer arbeitet Matteo an der Velobörse, und im Winter übernimmt er Gelegenheitsjobs, die sich gerade anbieten. Notfalls greife er auf seine Ersparnisse aus der Zeit vor dem Studium zurück, in der er Vollzeit gearbeitet hat. Spontankäufe vermeidet er grundsätzlich, und er habe auch nicht das Bedürfnis, sich mit materiellen Dingen zu belohnen. Dieses „kostengünstige Denken“ sei bei ihm so automatisiert, dass es ihm inzwischen leichtfalle.
Was ihn jedoch störe, sei, dass er mit seiner Freundin gerne mehr unternehmen würde. „Wellness und Brunch liegen nicht drin, wenn beide studieren.“ Aber das seien Dinge, auf die sie sich freuen könnten, wenn sie einmal Vollverdiener:innen seien. Auch das Auswärtsessen, das zurzeit eine Seltenheit sei, werde sich ändern, wenn er mit dem Studium fertig ist. Matteo erwartet nach dem Bachelor in Tourismus einen Lohn zwischen 4’500 und 5’000 Franken brutto. „Wegen des Lohns habe ich das Studium nicht gemacht“, sagt er und schmunzelt. Die Leidenschaft und das Interesse seien für ihn wichtiger gewesen. Jedoch werde dieser Lohn ausreichen, um sich die Dinge zu leisten, auf die er heute verzichten müsse.



Das Dumbphone, welches nur beschränkte Fähigkeiten hat, hilft Matteo, weniger Handyzeit zu haben. (Bild: Anna Pfister)

Vor 19:00 fahre ich nirgends hin
Ein Spartrick von Matteo ist, nie vor 19:00 Uhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. „Das GA-Night macht mein Leben einfacher“, sagt er. Es kostet jährlich 99 Franken und funktioniert wie ein Generalabonnement (GA), ist jedoch erst ab 19:00 Uhr gültig. Dieses spezielle Angebot der SBB kann er allerdings nur noch bis zu seinem 26. Geburtstag nutzen – danach entfällt es. „Das wird hart“, sagt er und runzelt die Stirn. „Es gibt schon viele Dinge, die ab 25 teurer werden“, sagt Matteo. Neben den höheren ÖV-Kosten steigen auch die Krankenkassenprämien. „Ab Januar muss ich fast doppelt so viel bezahlen – 352 Franken statt 193 Franken im Monat“, sagt Matteo.
Das wird ab 25 Jahren teurer
– Generalabonnement der SBB: 3’995 Franken statt 2’780 Franken im Jahr
– ZVV-Abonnement: 2’295 Franken statt 1’663 Franken im Jahr
-Eltern erhalten für studierende Kinder keine Ausbildungszulagen mehr
-Krankenkassenprämien steigen
-Mehr Lohnabzüge
-Mehr Steuern
Studierende werden immer älter
Katja Rost, Soziologin an der Universität Zürich, blickt eher kritisch auf Studierende in den späten Zwanzigern. „Als ich 22 Jahre alt war, hatte ich bereits gearbeitet“, sagt sie, und das sei damals völlig normal gewesen. Heute beobachtet sie, dass Studierende deutlich älter sind als früher und dass der Druck, jung Teil des Arbeitsmarktes zu werden, nachgelassen habe. Als Lösungsansatz für Studierende, um alle Rechnungen zu begleichen, sieht die Soziologin das Arbeiten neben dem Studium. Natürlich sei das nicht in jedem Studiengang einfach. In einem Medizinstudium sei es beispielsweise fast unmöglich. In solchen Fällen hält Rost es für sinnvoll, dass Eltern ihre Kinder finanziell unterstützen. „Als Elternteil will man sein Kind nicht einfach im Stich lassen“, sagt sie. Allerdings beobachtet sie auch das Phänomen der „Helikoptereltern“ in Bezug auf die Finanzierung.
Studierende helfen Studierenden
Matteo hat von zu Hause gelernt, mit Geld umzugehen, ist sich jedoch bewusst, dass es vielen schwerfällt, mit einem kleinen Budget zurechtzukommen. Deshalb tauscht er sich regelmässig mit seinen Mitstudierenden aus. „Wir sitzen alle im gleichen Boot.“ Wenn jemand einen Spartrick entdeckt, wird dieser sofort in der Gruppe geteilt. So ist er beispielsweise schon seit Monaten nicht mehr beim Coiffeur gewesen. „Meine Freundin stört es nicht, also ist es okay“, sagt er und lacht. Im Juli 2025 schliesst Matteo seinen Bachelor ab. „Ich freue mich, wenn alles fertig ist und ich nicht jede Investition zweimal überdenken muss“, sagt er.
Verzicht als neuer Standard
Nicht allen Studierenden fällt es leicht, ihr Budget von Anfang an problemlos zu planen. Lea Vogt, Psychologie-Studentin an der Universität Zürich, ist seit einem halben Jahr ausgezogen und arbeitet nebenbei als Fachfrau Gesundheit EFZ in der Pflege. Sie plant zwar ihr Budget, doch die Umsetzung gestaltet sich schwieriger, als sie zu Beginn gedacht hatte.
Diese Finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es
Die Finanzierung eines Studiums stellt viele junge Menschen vor Herausforderungen. Stipendien, Budgetplanung und Spartricks können Studierende jedoch entlasten und ihnen praktische Hilfestellungen bieten.
Sophia Würmli, Betriebswirtschafterin an der Universität Zürich, hat klare Vorstellungen davon, wie Studierende ihre Finanzen im Griff behalten können. Für sie gehört das Arbeiten neben dem Studium dazu. Es sei notwendig, um finanziell über die Runden zu kommen. Auch für Menschen ohne Berufsausbildung gäbe es Möglichkeiten, wie zum Beispiel Nebenjobs im Verkauf oder im Servicebereich.
„Die Wohnungssuche in Zürich ist nicht einfach“, sagt Würmli. Sie empfiehlt daher, in einer Wohngemeinschaft zu wohnen. Zudem solle man die eigenen Ansprüche überdenken, was das Leben direkt in Zürich betreffe. Auch wenn dies für viele ein Wunsch sei, könne man durch die Wahl einer ländlicheren Region erheblich sparen. Kantone wie Schwyz, Aargau oder Thurgau seien deutlich günstiger, und es sei einfacher, eine Wohnung zu finden. Wer jedoch in der Stadt lebt und die Möglichkeit hat, sich mit dem Fahrrad fortzubewegen, sollte dies unbedingt nutzen, sagt Würmli. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien teuer, vor allem ab dem 25. Lebensjahr. Mit eigenständiger Mobilität könne man diese Kosten umgehen. Zudem empfiehlt sie Angebote wie Stipendien und Prämienverbilligungen zu nutzen.
Der Weg zum Stipendium
„Es ist klar, dass nicht alle Eltern ihre Kinder finanziell unterstützen können“, sagt David Stamm, Berater für Stipendien an der ZHAW. „Deshalb sind Stipendien notwendig, damit jeder, der studieren möchte, dies auch tun kann.“ Er empfiehlt, dass alle, die zu wenig Einkommen haben, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken, beim zuständigen kantonalen Stipendienamt klären sollten, ob sie stipendienberechtigt sind.
Für einen Stipendienantrag müssen zahlreiche Dokumente eingereicht und die Einreichungsfrist im Juli eingehalten werden, sagt Stamm. So sei es zumindest im Kanton Zürich, wobei die Anforderungen von Kanton zu Kanton unterschiedlich seien, sagt Stamm. Im Kanton Zürich können Studierende, die die Voraussetzungen erfüllen, bis zum 45. Lebensjahr Stipendien erhalten. Ab einem Alter von 30 Jahren muss der erhaltene Betrag jedoch nach Abschluss des Studiums zurückgezahlt werden. Stamm stellt fest, dass der Grossteil der Absolvent:innen das Darlehen innerhalb von fünf Jahren nach dem Studium zurückzahlen können, da sie direkt in die Berufswelt einsteigen.
Wer in die Ferien will, muss dafür arbeiten
„Ich rate jedem, einen monatlichen Budgetplan zu erstellen“, sagt Sophia Würmli. So lasse sich erkennen, wo die grössten Ausgaben anfallen, und gezielt Sparmassnahmen ergreifen. Sie beobachte, dass Studierende oft keinen Überblick darüber haben, wohin ihr Geld fliesse. Dies sei einer der häufigsten Fehler. Auch Spontankäufe seien ohne festes Einkommen nicht möglich. „Das ist eine Frage der Disziplin“, sagt sie. Auswärtiges Essen sei teuer, und selbst das Mensaessen an den Universitäten summiere sich schnell. Sie empfiehlt daher, selbst zu kochen und Mahlzeiten für zu Hause vorzubereiten. „Urlaub machen ist ein Luxusgut“, sagt Würmli. Auch wenn Reisen für viele dazugehört, müsse man dafür arbeiten und sparen. Ohne einen Job sei dies nicht möglich. Studierenden, die nach Weihnachtswünschen gefragt werden, empfiehlt Würmli, sich Geld schenken zu lassen. Auch wenn es vielleicht unkreativ klinge, sei dies oft nützlicher als Dinge, die man später nicht braucht. So könne man den Geldzuschuss gezielt dort einsetzen, wo er am meisten gebraucht wird.

Ich liebe es, Geschichten über spannende Menschen zu erzählen. Meine Lebensziele sind viele Kulturen kennenzulernen, Sprachen zu lernen und nie aufhören Fragen zu stellen.