Die zweitgrösste Mannschaftssportart der Schweiz wird oft als Hobby belächelt. Der Wille, dies zu ändern, ist spürbar – auch wenn der Weg der Professionalisierung noch ein weiter ist. Das unterstreicht unter anderem eine kürzlich durchgesetzte Massnahme des Schweizer Unihockeyverbandes. 

Autor: Nicola Cathomas
Beitragsbild: Das Schweizer Unihockey steht nur selten im Rampenlicht wie hier an der Heim-WM der Männer vor zwei Jahren. (Quelle: swiss unihockey / Tobias Wagen)

Wer Spiele der höchsten Schweizer Unihockeyligen im Stream verfolgen will, muss neu dafür bezahlen. Mit dem Slogan «Trainieren für den Sieg. Abonnieren für den Jubel», kündigte der Schweizer Unihockeyverband «swiss unihockey» die Paywall an – und sorgte damit für gemischte Reaktionen in der Schweizer Unihockeyszene.

«Hm, isch das würkli nötig gsi?», schreibt ein Fan auf Instagram unter dem Ankündigungsbeitrag. «Mutiger und guter Entscheid!», meint ein anderer. Vor allem der Preis sorgt für Diskussionen: 8 Franken kostet ein Tagespass, für knapp 80 Franken gibt’s ein Jahresabo. Rabatt gibt es nur für Lizenzierte und einzelne Mitglieder der Klubs – sie müssen nur die Hälfte des Preises bezahlen.

Der Verband rechtfertigt den Schritt in einer Medienmitteilung mit der Weiterentwicklung des Schweizer Unihockeys. Mit der Paywall werde sichergestellt, dass sich die Livestreams der Vereine weiterentwickeln können und die Sportart weiterhin nach aussen getragen werde, heisst es weiter. Michael Zoss, Geschäftsführer von swiss unihockey, ergänzt: «Entsprechend fliessen auch 70 Prozent der Einnahmen direkt in die Clubs.»

Linus Möckli, Spieler in der höchsten Schweizer Männerliga, der Lidl Unihockey Prime League (L-UPL), steht grundsätzlich hinter der Einführung der Paywall. «Natürlich lässt sich diskutieren, ob der Preis für die Streams gerechtfertigt ist», sagt der 22-Jährige. Dennoch sieht er die Paywall als Chance, das Schweizer Unihockey voranzubringen.

Etwas, das dem jungen Verteidiger besonders am Herzen liegt. Denn Spieler:innen wie Möckli investieren wöchentlich bis zu 30 Stunden in den Sport – und das meist ohne grosse finanzielle Entschädigung. Warum er dennoch diesen Aufwand auf sich nimmt, erklärt Linus Möckli im Porträt.

Porträt von Linus Möckli

Linus Möckli ist seinem Gegenspieler einen Schritt voraus. (Quelle: swiss unihockey / Erwin Keller)

Möckli ist mit seinem Wunsch nach professionelleren Strukturen nicht allein, wie Gespräche mit weiteren L-UPL-Spieler:innen zeigen. Doch die aktuelle Realität im Schweizer Unihockey sieht noch anders aus: So berichtet ein anderer Spieler, der lieber anonym bleiben möchte, dass er von seinem Verein eine jährliche Kompensation von 500 Franken erhalte. Ein dritter verdiene insgesamt 1100 Franken – es gebe aber auch Spieler in seinem Team, die besser bezahlt würden. Alle drei Spieler haben jedoch eines gemeinsam: Keiner ihrer Teamkollegen verdiene genug, um ausschliesslich vom Sport zu leben – nicht einmal die ausländischen Verstärkungsspieler. Michael Zoss bestätigt: «Viele Sportler:innen und Funktionär:innen wenden ihre ganze Freizeit zugunsten des Sports auf. Das ist wenig nachhaltig.»

Michael Zoss

Geschäftsführer Swiss unihockey (Bildquelle: swiss unihockey / Claudio schwarz)

«Aktuell haben alle zu wenig Zeit, die Dinge richtig zu machen – sei es auf oder neben dem Feld.»

Er erhoffe sich darum eine Weiterentwicklung des Unihockeysports durch Menschen, die ihren Aufgaben als Athlet:in oder Funktionär:in tagsüber und gegen Bezahlung wahrnehmen können. «Ich bin überzeugt, dass nur eine Professionalisierung den Schweizer Sport und somit auch das Schweizer Unihockey weiterbringt», sagt Zoss und fügt an: «Aktuell haben alle zu wenig Zeit, die Dinge richtig zu machen – sei es auf oder neben dem Feld.»

Diese Professionalisierung, von der Zoss spricht, hat zwar noch einen weiten Weg vor sich. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, wie stark sich das Schweizer Unihockey in den letzten zehn Jahren entwickelt hat.

Gestaltung: Nicola Cathomas mit Timeline JS / Quelle: swiss unihockey

Angesprochen auf Vorbilder für ebendiese laufende Professionalisierung sagt Zoss: «Am ehesten könnte das tschechische Unihockey genannt werden.» Dieses habe in den letzten Jahren enorme Sprünge gemacht: «Auch bedingt durch viel höhere finanzielle Mittel.»

Vom Jäger zum Gejagten: Tschechien hat die Schweiz überholt

Ähnlich sieht es Martin Gattnar, tschechischer Nationalspieler und Verstärkungsspieler beim L-UPL-Verein Alligator Malans. Allerdings, so Gattnar, variiere die Situation auch in Tschechien stark: «Professionelle Strukturen gibt es eigentlich nur bei den Top-Teams – nicht in der gesamten Liga.» Selbst bei seinem früheren Verein Vitkovice, einem letztjährigen Playoff-Halbfinalisten in Tschechien, habe es keine «Vollprofis» gegeben. Gewisse Spieler hätten zwar genug verdient, um theoretisch vom Sport leben zu können, doch aus Angst vor der Zukunft arbeiteten sie trotzdem. «Als 35-Jähriger ohne Joberfahrung wird es schwierig auf dem Arbeitsmarkt nach der Sportkarriere», erklärt Gattnar.

Einen wesentlichen Unterschied zum Schweizer Unihockey gebe es aber bei der Infrastruktur: «Die tschechischen Top-Teams haben ihre eigene Arena, die für die Spieler immer frei zugänglich ist», sagt Gattnar, und fügt an: «Bei Malans habe ich diese Möglichkeit nicht.»

«Die Spielstätten sind offen gesagt mehrheitlich stark ungenügend», sagt auch der Geschäftsführer von swiss unihockey. Es gebe aber auch in der Schweiz ein positives Beispiel – die AXA-Arena des HC Rychenberg Winterthur. Dort könne man sehen, was eine tolle Arena für positive Auswirkungen für einen Verein haben könne, so Zoss. Auf eine ähnliche Erfolgsgeschichte hofft man auch östlich der Eulachstadt in Chur. Dort entsteht nämlich ein modernes neues Zuhause für das Churer Unihockey.

Wie die neue Arena für frischen Wind sorgen soll und warum künftig die Kaffeemaschine zwischen den Spielen der Damen und Herren nicht mehr gewechselt werden muss, wird im Audio-Beitrag erklärt.

«Ich hoffe, dass das Churer Unihockey diese riesige Chance nutzen wird», sagt Michael Zoss. Auch über mögliche Nachahmer würde er sich freuen. Denn um das Unihockey in der Schweiz langfristig weiterzubringen, stehe die Weiterentwicklung der Vereine im Fokus. Es werde aber generell ein Fortschritt auf allen Ebenen angestrebt, sagt Zoss. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Verband die Strategie 2024-2030 entwickelt.

Strategie 2024-2030

In dieser Strategie nicht enthalten: Dass Spieler:innen mit dem Sport reich werden sollen, wie beispielsweise im Fussball. Dazu meint Zoss: «Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich erstrebenswert ist.» Allerdings werde es in Zukunft wohl etwas einfacher, hauptberuflich Athlet:in zu sein, so der Geschäftsführer weiter. So sieht die Strategie 2024-2030 unter anderem vor, die Semiprofessionalisierung für Athlet:innen auszubauen und auch die Einnahmen durch Vermarktung zu erhöhen – etwa mit Massnahmen wie eben der Einführung einer Paywall.

Soll das Schweizer Unihockey professioneller werden?
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