Das Nachtleben befindet sich im Wandel – auch in Schaffhausen. Jüngere Generationen gestalten ihre Freizeit zunehmend anders, was insbesondere die Partyszene vor grosse Herausforderungen stellt. 

Autorin: Salome Zulauf
Titelbild: Die Schaffhauser Nachtclubszene verändert sich, neben dem Angebot haben sich auch die Interessen der jüngeren Generationen verändert.
Bild: Salome Zulauf

An einem Novemberabend in der Unterstadt von Schaffhausen: Die Restaurants und Bars sind gut besucht, draussen auf den Gassen sind vereinzelt Passant:innen unterwegs. Mit fortschreitender Stunde versammeln sich zunehmend Jugendliche und junge Erwachsene vor den Clubs der Munotstadt – die Kammgarn, das Tap Tab und der klub8. Schnell wird noch eine letzte Zigarette geraucht, bevor sich das Partyvolk in die Warteschlange am Eingang einreiht. Die Schaffhauser Nachtclubszene durchlebt derzeit eine schwierige Phase. Die glanzvollen Partynächte von vor gut 20 Jahren, als die Gassen von Donnerstag- bis Samstagnacht voller Feiernden waren, sind vorbei. Gäste gehen weniger in den Ausgang und konsumieren daher auch weniger, was die Betreiber:innen der Nachtclubs zunehmend vor finanzielle Schwierigkeiten stellt. Auch in der Partystadt Zürich zeigt sich ein ähnliches Bild. Eine Studie der «Bar & Club Kommission Zürich» (BCK) zeigt: Zwischen 2018 und 2023 sind die Umsätze in den Zürcher Clubs deutlich zurückgegangen: Obwohl die Gästezahlen in den letzten fünf Jahren leicht zugenommen haben, ist der Pro-Kopf-Umsatz von 45 Franken auf 30 Franken gesunken.

So hat sich die Szene in Zürich verändert

Interaktive Grafik mit genially und canva erstellt: Salome Zulauf Quelle: BCK

Rettet das Tap Tab

Zurück nach Schaffhausen, dort sorgte im August ein Instagram-Post des Musikraums Tap Tab für Aufmerksamkeit. Mit den Worten «Rettet das Tap Tab!» wandte sich der Verein an seine Follower:innen und bat um finanzielle Unterstützung. Sie beschrieben ihre Lage als eine «kleine, aber feine finanzielle Krise» und fragten um einen «Übergangsbatzen». Laut den Vereinsmitgliedern gibt es mehrere Gründe für die finanzielle Schieflage, wie sie auf der Spendenwebseite schrieben. Einerseits seien die Gagen für Künstler:innen gestiegen, andererseits wurden die technische Ausstattung zunehmend komplexer. Zudem habe die Bereitschaft zur freiwilligen Mitarbeit abgenommen. Für ihr ursprüngliches Ziel legten sie eine Summe von 10’000 Franken fest – innerhalb von nur zwei Stunden kam diese zustande. Inzwischen haben sie sogar rund 54’000 Franken gesammelt. 

Der Konflikt mit der Generation Z

Auch gegenüber vom Tap Tab, in der Kammgarn, spiegelt sich die etwas angespannte Situation der Schaffhauser Nachtclubszene wider. Besonders bei der Generation Z wird festgestellt, dass diese im Vergleich zu früheren Generationen seltener in den Ausgang geht. 

An diesem Novemberabend wirkt der Hofplatz der Kammgarn dennoch belebt. Aus dem Inneren dröhnen die Bässe der Musikboxen, während draussen einige junge Erwachsene in der Warteschlange stehen und sich auf die Partynacht einstimmen. Eine von ihnen ist Laura (19). Sie geht etwa ein- bis zweimal im Monat in Schaffhausen aus und beschreibt sich selbst als Gelegenheitsausgängerin. «Was ich schade finde, ist, dass es in Schaffhausen nicht mehr so viele Optionen gibt», sagt sie. «Vor allem seit der Übernahme des Orients durch neue Besitzer:innen hat sich das Angebot grundlegend verändert. Mit dem neuen Konzept, das Veranstaltungen erst ab 20 oder sogar 25 Jahren ausrichtet, ist der Club für viele junge Menschen als Ausgehmöglichkeit weggefallen.» Ähnlich sieht es auch Jonas (20), der zwar häufiger in Clubs geht, in Schaffhausen jedoch schon lange nicht mehr unterwegs war. «Meine Freunde und ich gehen lieber nach Konstanz. Dort ist es günstiger und das Angebot ist grösser.» Zwar sei der Weg etwas länger, doch dies lohne sich seiner Meinung nach.

  

Verändertes Konsumverhalten

Dieses Verhalten macht sich auch bei den Betreiber:innen der Kammgarn bemerkbar. «Wir haben in den letzten Jahren eine Veränderung in der Partyszene wahrgenommen», sagt Pascal Bührer, Marketing- und Kommunikationsverantwortlicher der Kammgarn. Früher waren Besucher:innenzahlen von 800 Personen an einem Samstagabend keine Seltenheit. Heute sei es schwieriger, abzuschätzen, welche Veranstaltungen funktionieren. «Vor allem bei Partys ab 18 Jahren haben die Besucher:innenzahlen stetig abgenommen», sagt der Schaffhauser. Die Nachfrage sei schon vor der Pandemie zurückgegangen, wurde aber durch diese verstärkt. Neben rückläufigen Besucher:innenzahlen bei den Partys ab 18 Jahren zeigen sich auch Unterschiede im Konsumverhalten der verschiedenen Altersgruppen. Besonders Partys ab 16 Jahren bringen deutlich geringere Einnahmen, da Jugendliche oft anderswo ihre Getränke kaufen. «Wir sprechen hier von einem Pro-Kopf-Umsatz von etwa neun bis elf Franken», sagt der 41-Jährige. Dies sei früher jedoch nicht anders gewesen, da die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht so viel Geld zur Verfügung haben. Generell hat sich das Konsumationsverhalten verändert. «Nicht alkoholische Getränke sind im Trend. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, zeigt sich jedoch im Umsatz», sagt der Kommunikationsverantwortliche. Er vermutet einen Zusammenhang mit dem auf Social Media propagierten gesunden Lebensstil. Hinzu kommen andere Prioritäten: Reisen, Teilzeitarbeit oder teure Hobbys könnten ebenfalls dazu führen, dass im Nachtleben gespart wird.

Alkoholkonsum in der Schweiz

Laut einer aktuellen Erhebung des Bundesamts für Statistik (BFS) konsumieren vier von fünf Personen in der Schweiz ab 15 Jahren Alkohol – ein Anteil, der seit 30 Jahren stabil geblieben ist. Der tägliche Konsum ist jedoch stark zurückgegangen: 1992 tranken noch 20 Prozent der Bevölkerung täglich Alkohol, 2022 waren es nur noch 9 Prozent. Im Gegensatz dazu zeigt die Erhebung eine Zunahme des Rauschtrinkens, das seit 2007 bei Frauen wie Männern ansteigt. Besonders betroffen sind junge Männer zwischen 15 und 24 Jahren, von denen sich 31 Prozent mindestens einmal im Monat in einen Rausch trinken.

Was man unter Rauschtrinken versteht

Rauschtrinken, auch Binge Drinking genannt, bezeichnet den Konsum grosser Mengen Alkohol in kurzer Zeit mit dem Ziel, schnell einen Rauschzustand zu erreichen. Als Richtwert gelten vier oder mehr Standardgläser bei Frauen und fünf oder mehr Standardgläser bei Männern. Rauschtrinken birgt erhebliche gesundheitliche Risiken wie Alkoholvergiftungen und Langzeitschäden.
Hier kannst du einen Selbsttest zu deinem Alkoholkonsum machen.

Mehr als nur ein Club

Mittlerweile ist kurz nach Mitternacht, die Warteschlange vor der Kammgarn hat sich aufgelöst. Die letzten Gäste betreten den Club, drinnen sorgen laute Musik und bunte Lichter für eine mitreissende Partystimmung. Etwa 300 Menschen sind an diesem Samstagabend gekommen.

Für Pascal Bührer ist ein vielfältiges Angebot der Schlüssel, um die Schaffhauser Partyszene zu stärken. «Wir versuchen, ein breites Zielpublikum anzusprechen und verschiedene Partys, Konzerte oder Theateraufführungen zu organisieren», sagt er. «Wenn etwas zu nischig ist, wird es allerdings schwierig, genügend Interessierte in der Region zu finden.» Entscheidend sei ein vielfältiges Angebot, denn: «Es braucht unterschiedliche Clubs für verschiedene Zielgruppen, damit sich die Szene nicht gegenseitig Konkurrenz macht, sondern gemeinsam wieder wachsen kann.»

  • 22:30 Uhr – Freitagabend vor dem Kulturzentrum Kammgarn in Schaffhausen. 

Kulturkick für Schaffhausen

Ein breites Zielpublikum anzusprechen, ist auch das Ziel des klub8 an der Safrangasse. Wie viele andere Veranstaltungsorte in Schaffhausen überlegen die Betreiber:innen des klub8, wie sie ihre Partykultur lebendig halten und langfristig relevant bleiben können. Dabei sehen sich die Verantwortlichen nicht nur als Veranstalter:innen des städtischen Nachtlebens, sondern auch als aktive Mitgestalter:innen der Schaffhauser Kulturszene.

Video: Salome Zulauf

Wie sieht deine Wochenendplanung am ehesten aus?
×


Zeit für sich – die neue Ausgangskultur

Bewusster und selektiver – ist das die neue Art, wie die Generation Z heutzutage feiern geht? Ein Jugendberater schildert seine Beobachtungen, wie er die veränderten Prioritäten und vielfältigen Lebensstile junger Menschen wahrnimmt.

Während für viele Millennials in ihren 20ern das Wochenende fest mit Partys verbunden war, setzt die Generation Z in ihrer Freizeit zunehmend andere Prioritäten. Ein gemütlicher Samstagabend zu Hause, alleine oder mit Freund:innen, scheint heute immer häufiger im Trend zu liegen. Doch entspricht dieses Verhalten tatsächlich der Realität?

Michael Bruder, Jugendberater im Zentrum Breitenstein in Andelfingen, betont, dass solche Beobachtungen nur einen Teil der vielfältigen Lebensstile der Generation Z abbilden. «Grundsätzlich lässt sich nicht sagen, wie junge Erwachsene heute im Allgemeinen ticken. Vieles hängt davon ab, in welcher Bubble, also in welcher sozialen Gruppe, sich eine Person bewegt», sagt er. Während einige in der Fitnessbubble aktiv sind und die Partykultur nicht mit ihrem Lebensstil vereinbaren können, gehen andere nach wie vor regelmässig feiern.

Priorisierung der eigenen Interessen

«Instagram und TikTok spielen in der Generation Z eine grosse Rolle», sagt Michael Bruder. Auf Social Media werden täglich neue Trends und Neuigkeiten untereinander ausgetauscht; ein Treffen mit Freund:innen ist daher nicht mehr essenziell. Früher sei das anders gewesen: «Ausgehen am Wochenende war beinahe Pflicht. Man ging einfach mit, um Neues zu erfahren – es gab ja viel weniger Kontaktmöglichkeiten», sagt er. Ein weiterer Faktor könnte die Priorisierung der eigenen Interessen sein. «In Gesprächen fällt mir immer wieder auf, dass viele junge Erwachsene kein Problem damit haben, etwas alleine zu machen – im Gegenteil, sie geniessen das oft sehr», sagt Michael Bruder.

Vor allem durch Social Media lassen sich viele Jugendliche von
Trends beeinflussen. Bild: Salome Zulauf

Die Corona-Pandemie habe dieses Verhalten noch verstärkt. Während des Lockdowns mussten viele ihre Freizeit neu gestalten. «Man hat neue Freizeitaktivitäten entdeckt, die einem wirklich Spass machen, ohne ständig unter Menschen zu sein. Das hat die Perspektive verändert», sagt der Jugendberater. Ausserdem haben die Jugendlichen heute ein breiteres Freizeitangebot, das den klassischen Clubabend ersetzen kann. Ein Beispiel dafür ist das Waldbaden, das in den letzten Monaten auch in der Region Schaffhausen immer beliebter wurde.

Baden im Wald?

Mitten in der Natur, umgeben von Bäumen – das ist Waldbaden. Der Trend kommt ursprünglich aus Japan und ist dort als «Shinrin Yoku» bekannt. «Es geht darum, den Wald mit allen Sinnen wahrzunehmen und in diesem Tun und Sein bei sich selber anzukommen. Im Hier und Jetzt», erklärt Agnes Hüning, die seit 2022 Workshops in der Region Thayngen anbietet. «Durch den bewussten Aufenthalt im Wald sinkt der Stresspegel, und die Ausschüttung von Endorphinen wird angeregt», sagt die Kursleiterin. In ihren Kursen erleben die Teilnehmenden verschiedene Phasen, von langsamen Bewegungen bis hin zur bewussten Wahrnehmung von Gerüchen und Texturen. «Für viele ist das langsame Gehen die grösste Herausforderung», sagt Agnes Hüning. «Wir hetzen durch den Alltag, und genau dieses Tempo müssen wir erst einmal ablegen.» Das Interesse am Waldbaden habe in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. Laut der Schaffhauserin zeigt das, dass sich der Trend in der Region etabliert hat und ein breites Publikum anspricht: «Ich habe in meinen Kursen Teilnehmer:innen im Alter von 16 Jahren bis hin zu höheren Altern.»

Das Nachtleben ist nicht verschwunden

Es gibt viele Faktoren, die das Nachtleben der Generation Z verändert haben. Technologische Entwicklungen und ein neues Bewusstsein für persönliche Bedürfnisse haben dazu geführt, dass der klassische Clubbesuch nicht mehr im Zentrum der Freizeitgestaltung steht. Jedoch ist das Feiern nicht verschwunden – es hat sich nur zu bewussteren, individuelleren Formen gewandelt.

  • Statt auf der Tanzfläche wird im Wald getanzt.